En schöne Held / The Playboy of the Western World
von John Millington Synge, ins Schweizerdeutsche übersetzt und inszeniert von Rudolph Straub
Zürich, Theater Depot Tiefenbrunnen, 1985
Ab morgen Samstag wird im Tramdepot Tiefenbrunnen die Mundartfassung des Stückes ‚The Playboy of the Western World‘ (‚En schöne Held‘) des irischen Dramatikers John Millington Synge gespielt. Mit Rudolph Straub, der das Stück übersetzt und inszeniert hat, sprach André Grab.
‚Das Leben ist nur erträglich, wenn ich mit all seinen Äusserungsformen spielen kann‘, stellt er fest: Rudolph Straub. Jahrgang 1952. Schauspieler, Autor, Regisseur. Entnehme ich seinem Lebenslauf, ausgebildet an der Schauspielakademie Zürich, an der Ecole Lecoq in Paris und bei Ellen Widmann.
‚Ich beobachte die Grimassen, die das Leben macht, und spiele mit ihnen‘, sagt er und verzieht das Gesicht. ‚Ich schreibe nicht ausschliesslich fürs Papier, ich spiele nicht ausschliesslich eine Rolle, ich inszeniere nicht ausschliesslich ein Stück. Ich suche, bin ständig unterwegs, ich bin ein Gehender‘.
Nein, ein Sesselhocker, der auf den Musengekitzel wartet, ist Straub sicher nicht. Er ist auf eine ganz eigene Art ein Suchender, der sich, ausser auf sich selbst, auf nichts festlegen lässt, der sich keiner Form verschreibt und keine Schemen totreitet. Er hat neben Übersetzungen auch Hörspiele und Stücke verfasst, sowie für Radio und Fernsehen gearbeitet. Ein Multitalent.
Worte als Überlebensmasken
Als Verfasser und Regisseur eigener Stücke und Hörspiele frage ich Rudolph Straub, ob diese Doppelrolle nicht konfliktreich sei. Die Antwort ist ein sowohl erstauntes wie auch entschiedenes Nein. ‚Als Schauspieler spiele ich alles mit. Ich kann mich nicht damit begnügen, etwas nur auf ruhendes Papier zu bringen. Ich spiele mit dem Wort als Lebens- und Überlebensmaske des Menschen‘. Ein Spiel mit Worten ist sicher auch die Synge-Übersetzung in die Innerschweizer Mundart, die vor genau neun Jahren entstanden ist und jetzt ins Theater kommt. Der Problematik von Mundartübertragungen bewusst, frage ich nach der Eigenheit des Dialektes sowie nach den Schwierigkeiten einer solchen Übertragung – und erhalte umgehend die Antwort, dass das alles wohl schwierig sein möge, aber er höre es eben.
Verzweiflung ausbeuten
Straub betont, dass es ihm Spass mache, sich mittels Sprach-Masken zu verwandeln. ‚Sprachen brauchen keine Erfinder. Sie sind das Produkt von Menschen, Gegenden, Landschaften. Sprache an sich ist tönender Ausdruck einer seltsamen Verzweiflung des Menschen’. Er glaube zum Beispiel, dass die Natur keine Sprache brauche – sie ist nicht verzweifelt. Aber der Mensch, diese Verrenkung der Natur, braucht sie. Und er, wie alle Theaterleute, beute Sprache zur Unterhaltung eben aus‘.
Und wie sieht es mit den Chancen einer solchen Produktion und solcher Ideen aus? Straub hat das Stück (das er im Auftrag von TV DRS bereits 1976 übersetzte) Anfang 1984 dem Schauspielhaus angeboten. Trotz anfänglicher Belobigung der Übersetzung scheiterte das Projekt aber offenbar an mangelnden Besetzungsmöglichkeiten des Kulturinstitutes und sicher auch teilweise daran, dass er die Inszenierung selber besorgen wollte.
Dass das Schauspielhaus nun doch eine eigene Playboy-Inszenierung auf Deutsch am Laufen hat, scheint ihn wenig zu stören. Er sieht diese Doppelaufführung, die im Grunde genommen ja keine ist, als interessante Tatsache, als belebendes Experiment. Und meint wahrscheinlich auch, dass Konkurrenz im Kulturbereich Ergänzung sein kann. Ein weiteres Feld auf seinem Spielbrett.
Spielmann unserer Zeit
‚Der Regisseur ist eine Notwendigkeit in einer neurotischen Gesellschaft‘ – diese These unterbricht meine Frage nach seiner Arbeit als Regisseur und danach, ob Schreiben, Spielen und Inszenieren einfach so zusammengehe. ‚Die Zeit des Theaters ohne Regisseur war sicher lustiger, spontaner, verrückter – aber sie ist vorbei. Heute sind wir in einem Netz von komischen Weltansichten gefangen. Es gibt keine populären Typen mehr und auch keine Könige. Zeit ist Mangelware und Narrenfreiheiten sind teuer‘.
Ein verkappter Royalist, der sich nach dem Theater der letzten Jahrhunderte zurücksehnt? Der von alten, wirklichen Schau-Spielern träumt? Von Gauklern und Zauberern? Vielleicht. Er hat selber etwas Gauklerhaftes an sich. Eine Art Spielmann unserer Zeit, ein Maskenträger und Verwandlungskünstler.
Doch will ich keine Masken lüften oder Verkleidungen aufdecken. Ich werde mir lieber einen guten Platz für «En schöne Held» besorgen.
André Grab
Züri-Tip 15.11.1985